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Versuchsbeginn und Mittäterschaft


I. Die verschiedenen Lösungsmöglichkeiten
1. Die Frage nach der begrifflichen Erfassung des Versuchsbeginns bei einer
von mehreren Personen gemeinsam geplanten Straftat, wenn nur einer von ihnen
seinen Tatbeitrag begonnen hat, wird auf der Grundlage von zwei Konzepten beantwortet:
Nach der sog. Gesamtlösung ist der Versuchsbeginn des einen Mittäters
Versuchsbeginn aller, da jedem Mittäter das Verhalten des anderen so zugerechnet
wird, als ob er es selbst begangen hätte. Diese Auffassung beruht bekanntlich
auf dem folgenden Gedanken: Da bei vollendeter Mittäterschaft die Handlung
eines jeden Mittäters den anderen zugerechnet wird, muss dasselbe auch im
Falle des Versuchs gelten, vorausgesetzt, dass der von einem begangene Anfang
der Ausführung Inhalt des gemeinsamen Tatentschlusses war.1
1 LK/Hillenkamp, 12. Aufl. 2007, § 22 Rn 173; Ingelfinger JZ 1995, 704 ff., 713, Kühl, Strafrecht, Allgemeiner
Teil, 6. Aufl. 2008, § 20 Rn 123; Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, 5. Aufl. 1996, § 63
IV 1; Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht, Allgemeiner Teil, Neuaufl. 2003, § 29 Rn 104; Buser, Zurechnungsfragen
beim mittäterschaftlichen Versuch, 1998, S. 16 ff.; Krey, Deutsches Strafrecht, Allgemeiner
Teil, Bd. 2, 3. Aufl. 2008, Rn 439; ˆ Erack ZStW 110 (1998), 611 ff.; Küper, Versuchsbeginn und Mittäterschaft,
1978, S. 60 ff.; Schönke/Schröder/Eser, 28. Aufl. 2010, § 22 Rn 55; Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht,
Allgemeiner Teil, 6. Aufl. 2011, § 12 Rn 107; BGHSt 36, 249 = BGH NJW 1995, 142. Dieser Lösung
folgt auch die griechische Rechtsprechung. S. z. B. Areopag 1338/2005; Poinikos Logos 2005, 1260;
Areopag 1074/1984; Poinika Chronika Bd. 35 (1985), 551; Strafgericht erster Instanz von Athen 5279/94;
Yperaspisi 1997, 135, mit Vorschlag von D. Asprogerakas.
Es versteht sich, dass die Handlung des ersten Mittäters einen Anfang der Ausführung
der gesamten Straftat darstellen muss und nicht bloß eine erste Handlung,
die einen neuen Tatentschluss des anderen Mithandelnden voraussetzen würde.
So besteht z. B. eine versuchte Explosion in Mittäterschaft, wenn der eine Komplize
die Sprengstoffmaterie unter das Auto des Opfers legt, während der andere
wartet, um sie anschließend zu entzünden. Ein Versuch des Ersteren liegt nach
dieser Auffassung aber noch nicht vor, wenn der Zweite erst einige Tage später
handeln wird.2
2 SoLK/Hillenkamp § 22 Rn 174.
2. Nach der Einzellösung hingegen wird das Verhalten jeder einzelnen Person,
die zusammen mit anderen einen Tatentschluss gefasst hatte, unabhängig von den
anderen bewertet. In diesem Fall, so wird behauptet, könne das Verhalten des anderen,
der zwar am Tatort anwesend ist, aber trotzdem noch untätig bleibt, höchstens
als psychische Beihilfe bewertet werden, nicht aber als Mittäterschaft.3
3 Für die griechische Dogmatik: Androulakis, Strafrecht, Allgemeiner Teil Bd. II, 2. Aufl., Athen 2005,
S. 174 ff. (auf gr.); Dimakis, StGB Kommentar, Athen 1993 ff., Art. 45 Rn 2 und 58(auf gr.); Bitzilekis,
Die Teilnahmehandlung, Thessaloniki 1990, S. 179, 182 (auf gr.),; Symeonidou-Kastanidou Yperaspisi
19
1997, 143 (auf gr.); Christopoulos, Poiniki Dikaiosyni, 2008, S. 231 ff. (auf gr.). Für die deutsche Dogmatik
vgl. vorerst nur die Nachw. b. LK/Schünemann § 25 Rn 203 Fn 451.
3. Eine dritte, vermittelnde Lösung (in Wirklichkeit eine Verbesserung der Gesamtlösung)
wurde schon vom RG vorgeschlagen: Danach werde nicht für jeden Komplizen
eine selbstständige Versuchshandlung gefordert, sondern es genüge, dass das Verhalten
desjenigen, der noch untätig geblieben ist, sich vom Verhalten eines unbeteiligten beliebigen
Dritten unterscheidet, während der Erstere die eigene, »unangefochtene« Versuchshandlung
beginnt.4
4 RGSt9,3,6.
So begehe z. B. A, die Ehefrau des B, die vor der Tür der Wohnung
des Opfers »untätig« wartet, bis ihr Mann ins Haus einbricht, wo sie anschließend den
wertvollen Schmuck wegnehmen wird, einen versuchten Diebstahl in Mittäterschaft.
Dieser dritte Lösungsvorschlag wird durch weitere Überlegungen gestützt: Die
Feststellung, dass das zu erörternde Verhalten des Komplizen sich vom Verhalten
eines unbeteiligten Dritten unterscheidet, ist darauf zurückzuführen, dass B in unserem
Beispiel mit dem Einbruch nicht begonnen hätte, wenn A nicht da gewesen
wäre. Der Anfang der Ausführung von B wurde demgemäß in der Erwartung verwirklicht,
dass auch A mitmachen würde, und ist insofern als Erfolg des Gesamtplans,
aber auch als Erfolg der Anwesenheit von A am Tatort zu betrachten, die ihrerseits
die Bereitschaft hat, den eigenen Handlungsteil direkt im Anschluss auszuführen.
Darüber hinaus ist nicht zu übersehen, dass das zur Erörterung stehende Verhalten des
Komplizen, das, isoliert betrachtet, eine Vorbereitungshandlung darstellen würde, nicht
mehr als solche betrachtet werden kann, wenn ein gemeinsamer Tatentschluss und Arbeitsteilung
vorliegen. Denn in diesem Falle ist der Beitrag eines jeden Mitentschlossenen
nicht selbstständig, sondern wird i. V. m. dem Beitrag der anderen verwirklicht; er ist
nämlich in einen gemeinsamen Tatplan eingebunden. Der Versuch des einen ist gleichzeitig
Erfolg des Beitrags des anderen. Schon aus diesem Grunde, d. h. wegen des Versuchs
des einen, kann der Beitrag des anderen nicht mehr als schlichte Vorbereitungshandlung
angesehen werden. Denn er ist gleichzeitig auch eine Bedingung des Anfangs der Ausführung,
der schon begangen worden ist, und nimmt insofern daran teil.5
5 S. schon Mylonopoulos, Anwendungen des Strafrechts, 1997, S. 97 (auf gr.); nunmehr auch NK/Zaczyk,
3. Aufl. 2010, § 22 Rn 67; Köhler, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 1997, S. 541, die einen gewissen objektiven
Tatbeitrag des untätigen Mittäters fordern, wie Anwesenheit am Tatort, Abhängigkeit des Gelingens
der Straftat von ihm usw.
Bemerkenswerterweise hat der BGH in diesem Zusammenhang nicht nur dann eine
Mittäterschaft akzeptiert, wenn der Mitentschlossene in Tatbereitschaft wartet, sondern
auch, wenn er seine von vornherein vereinbarte Mitwirkung unterlässt, während die anderen
mit den eigenen Versuchen begonnen haben. Als Beispiel sei der Sachverhalt von
BGHSt 37, 289 erwähnt: Die flüchtigen A und B haben vereinbart, notfalls die sie verfolgenden
Polizisten zu töten. Als die Letzteren jedoch vor ihnen standen, hob A die Hände
hoch, um zu zeigen, dass er keinen Widerstand leisten würde, während der andere (B)
vereinbarungsgemäß zwei Polizeibeamte tötete. In diesem Fall ergebe sich nach dem
BGH aus den gesamten Umständen eine enge Verbindung des Verhaltens beider, da B den
eigenen Beitrag so an das Verhalten von A angepasst hatte, dass er als Bestandteil der Tätigkeit
des Ersten erscheine.

II. Die Vorschriften über Versuch und Mittäterschaft als
strafbarkeitsausdehnende Vorschriften
Eine wichtige Rolle in der vorliegenden Problematik spielt die Kombination der
Vorschriften über Versuch und Mittäterschaft. Zum einen erweitern die Ersteren die
Strafbarkeit in dem Sinn, dass sie die Bestrafung desjenigen ermöglichen, der den
Willen geäußert hat, ein Rechtsgut zu beeinträchtigen, unter der Voraussetzung, dass
die Bedingungen des § 22 StGB gegeben sind. Auf der anderen Seite erweitern auch
die Vorschriften über die Mittäterschaft die Strafbarkeit, da sie die Bestrafung des
Mittäters wegen eines (Teil-)Aktes erlauben, den nicht er selbst, sondern ein anderer
begangen hat, wiederum unter der Voraussetzung der Bedingungen des § 25 II
StGB. Aufgrund dieser Vorschrift wird also als Mittäter auch derjenige betrachtet,
der nur einen Teil der Straftat begangen hat. Diesem wird auch der nicht von ihm
ausgeführte Teil der strafbaren Handlung zugerechnet, der, nach der vereinbarten
Arbeitsteilung, vom anderen Mittäter begangen worden ist.
Für das Vorliegen der Mittäterschaft wird also keine gemeinsame Tatausführung
in Bezug auf den gesamten objektiven Tatbestand gefordert, genauso wie der
Versuch keine volle Verwirklichung des objektiven Tatbestandes voraussetzt. In
diesem Fall genügt die Tatentscheidung, genauso wie im Fall der Mittäterschaft
der gemeinsame Vorsatz genügt. Aus der Kombination beider Vorschriften ergibt
sich also, dass der Versuchende nicht nur für das verantwortlich sein kann, was er
selbst ausführen will, sondern auch für etwas, das der andere Mittäter aufgrund
eines vorher gefassten gemeinsamen Tatentschlusses ausführen will.
III. Die Mittäterschaft als einheitliche Handlung eines multipersonalen
Subjekts
1. Eine Bestätigung dieser Betrachtungsweise wird von der analytischen Philosophie
geliefert, insbesondere von den Arbeiten von Gilbert und Tuomela, die die Bedeutung der
sog. gemeinsamen Handlungen (joint actions) hervorheben. In diesem Fall werde die
Handlung von einem multipersonalen Subjekt (plural subject) ausgeführt, das von allen
Mit-Handelnden gebildet wird. Voraussetzung dafür, dass zwei oder mehrere Personen
eine (gemeinsame) Handlung teilen, sei, dass jeder einzelne den Willen geäußert hat, mit
den anderen ein multipersonales Subjekt zu begründen, so dass alle zusammen zu Teilen
eines solchen Subjekts werden. Zu diesem Zweck müssen alle Teil-Handelnden (Teil-
Subjekte) die eigene Bereitschaft geäußert haben (sog. quasi-readiness), an der gemeinsamen
Handlung teilzunehmen. Die Handlungsbereitschaft erweist sich also als wesentlicher
Bestandteil der gemeinsamen Aktion. In diesem Fall agiere jeder Teil-Handelnde
als Teil des multipersonalen Subjekts.6
6 Gilbert, On social Facts, Princeton 1992, S. 197 ff., 204.
Erreicht also einer der Handelnden den gemeinsamen
Zweck, so haben ihn auch die anderen erreicht.7
7 Tuomela, The Importance of Us, Stanford 1993, 293.
Der Beitrag der analytischen Philosophie zu unserer Frage ist aufschlussreich, da sie
uns erlaubt einzusehen, dass eine Handlung, die isoliert betrachtet eine einfache Vorbereitungshandlung
ist, sich in eine täterschaftliche Handlung umwandelt, wenn sie in den
Rahmen einer gemeinsamen Aktion eingebettet wird. Sie erklärt m. a. W., weshalb einer
prima facie rechtsneutralen Handlung eine andere Bedeutung zukommt, wenn sie als Teil
einer gemeinsamen Handlung betrachtet wird.

2. Dieses philosophische Konzept nähert sich im Wesentlichen der Theorie des sog.
Gesamtsubjekts an, nach der die Mittäterschaft als Handlung eines einheitlichen Subjekts
konzipiert werden müsse, wo mehrere Mittäter eine Art »juristische Person« mitbegründeten,
8
8 Joerden JZ 1995, 735; vgl. Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht, Allgemeiner Teil, Bd. 2, 8. Aufl. 2002, § 49
Rn 5, 9 ff.; Bloy, Die Beteiligungsform als Zurechnungstypus im Strafrecht, 1985, S. 170 ff.; Stratenwerth/
Kuhlen, AT I, § 12 Rn 77; Heinrich, Rechtsgutsbegriff und Entscheidungsträgerschaft, 2002,
S. 287, der von einer imaginären Gesamtperson spricht.
so dass der Versuchsbeginn des einen auch den Anfang der Ausführung für die
anderen darstelle. Obwohl diese Konstruktion von manchen Autoren als ein »lebensfremdes
Monster«9
9 Schilling, Der Versuch des Mittäters und des mittelbaren Täters, 1975, S. 64 ff.; vgl. ferner Christopoulos
(Fn 3), S. 235 ff.; NK/Schild § 25 Rn 84.
und jedenfalls als mit dem Schuldprinzip unvereinbar10
10 Christopoulos (Fn 3), S. 235 ff.
verworfen worden
ist, geht diese Kritik fehl, und zwar aus folgenden Gründen:
Erstens: Die Analyse von Gilbert und Tuomela entgeht der Kritik schon deshalb, weil
sie nicht von einem einheitlichen, sondern von einem multipersonalen Subjekt spricht,
wo der Teil-Akt des einen dem anderen zugerechnet werde, und zwar auf Grund der gemeinsamen
Vereinbarung.
Zweitens: Der Vorwurf, die Auffassung vom Gesamtsubjekt stelle auf eine Fiktion ab,
ist keineswegs überzeugend, denn die Vorschriften über Mittäterschaft sind eben darauf
gerichtet, dem einen Mittäter Teil-Akte zuzurechnen, die ein anderer begangen hat.
Drittens: Eine Tatbestandsverwirklichung alsWerk mehrerer aufzufassen, verstößt keineswegs
gegen das Schuldprinzip. Ein solcher Verstoß würde nur dann bestehen, wenn
man dem Mittäter Handlungen zugerechnet hätte, die er weder gewollt noch gekannt hatte.
Nach den Vorschriften über Mittäterschaft wird aber jede Handlung, die nicht mitbeschlossen
worden ist, von der Mittäterschaft ausgeschlossen.11
11 Vgl. Joerden JZ 1995, 735.
Die Lehre vom multipersonalen
Subjekt läuft also keineswegs auf eine Kollektivhaftung hinaus, sondern zeigt
sehr deutlich, dass die gemeinsame, auf gemeinsamem Tatentschluss beruhende Aktion
eine Selbstständigkeit hat und als einheitliche Entität konzipiert werden muss, während
sie gleichzeitig die Voraussetzungen einer solchen gemeinsamen Handlung ausformuliert:
gemeinsamer Wille aller, mit vereinten Kräften am gemeinsamen Zweck mitzuwirken,
und gegenseitiges Wissen dieses Willens und der gemeinsamen Bereitschaft aller.12
12 Gilbert (Fn 6), S. 204 ff.
3. Aus dem Gesagten ergibt sich, dass derjenige, der nach dem gemeinsamen
Tatplan »untätig« am Tatort wartet, bis sein Komplize mit dem eigenen Tatteil fertig
ist, in Wirklichkeit keineswegs untätig geblieben ist. Wer z. B. nach dem gemeinsamen
Tatentschluss im Schatten wartet, bis der andere den Widerstand des
Opfers überwältigt, um dann dessen Geld wegzunehmen, handelt schon zu diesem
Zeitpunkt tatbestandsmäßig. Denn mit seinem Verhalten, d. h. Anwesenheit am
Tatort und der Bereitschaft zur sofortigenWegnahme, hat er zum Versuch des Ersteren
beigetragen, so dass dieser Versuch auch als sein Werk konzipiert werden
kann, also als Erfolg auch des eigenen Verhaltens. Es besteht nämlich ein Kausalzusammenhang
zwischen der eigenen Handlung und dem Anfang der Ausführung
des anderen.

IV. Das Hauptargument: Begriffliche Abhängigkeit des Tatentschlusses des
Versuchenden von der Mittäterschaft
1. Während die Kritik an den angeblichen konstruktiven Schwächen der Gesamtlösung
also entkräftet werden kann, besteht das Hauptargument gegen die
Einzellösung m. E. in Folgendem: Es steht außer Zweifel (und darin besteht auch
mit der Einzellösung Einigkeit), dass derjenige, der im Rahmen eines gemeinsamen
Tatentschlusses den Anfang der Ausführung verwirklicht, auf jeden Fall Versuchstäter
der gemeinsam beschlossenen Straftat ist. Auch dessen Bestrafung ist
jedoch nur im Rahmen der Gesamtlösung möglich und nicht auf der Basis der
Einzellösung. Zwar wird im Rahmen der einschlägigen Diskussion bisher die
Strafbarkeit des ersteren Mittäters, der den Anfang der Ausführung begangen hat,
gewissermaßen als selbstverständlich betrachtet. Deswegen stellt man auf das
Verhalten des Zweiten ab und versucht festzustellen, ob auch dessen Verhalten als
Versuch qualifiziert werden kann oder nicht. Ist das aber so? Kann das Verhalten
des Ersteren als Versuch qualifiziert werden, und zwar unabhängig vom Verhalten
des Zweiten? M. a. W.: Können wir annehmen, dass die Handlung des Ersteren
auch dann ein Versuch wäre, wenn wir die Hypothese aufstellen, dass er alles allein
getan hat, d. h. ohne gemeinsamen Tatplan und ohne gemeinsamen Tatentschluss?
Nehmen wir z. B. den bekannten Mofa-Fall:13
13 Areopag 1074/1984, Poin. Chron Bd. 35 (1985), 550; Mylonopoulos, Strafrecht, Besonderer Teil, 2006,
S. 81 ff. (auf gr.).
A und B fassen den gemeinsamen Entschluss,
unter Arbeitsteilung ein Mofa zu stehlen: A soll die Sicherheitskette aufschneiden,
und B soll den Motor in Gang setzen. Können wir also sagen, dass A, der angefangen
hat, die Kette aufzuschneiden, auf jeden Fall einen Diebstahlsversuch begangen hat,
auch wenn er allein gehandelt hat, also ohne Erwartung der Mitwirkung des anderen?
Die Antwort muss negativ sein! Denn wie wir wissen, ist ein Versuch erst dann
möglich, wenn (und mit der Maßgabe, dass) der Täter den Entschluss der gesamten
Tat gefasst hat. In den zur Diskussion stehenden Fällen wäre dies indessen
nach der Einzellösung nicht der Fall. Der Versuchende hat für sich allein keinen
Vorsatz in Bezug auf die gesamte Straftat. Im Gegenteil, er will gerade, dass ein
Teil der geplanten gemeinsamen Straftat eben durch den anderen begangen werden
soll, nämlich durch den anwesenden und zur Mitwirkung bereiten Mittäter.
Die Einzellösung führt also zu dem absurdum, jemanden als Versuchstäter zu betrachten,
der den vom Gesetz verlangten Versuchsvorsatz (in Bezug auf den gesamten
objektiven Tatbestand) nicht hat, eben weil nach dem gemeinsamen Tatplan
ein Teil des Tatbestandes nicht durch ihn, sondern durch einen anderen (den
bisher Untätigen) verwirklicht werden soll.Wollen wir also das pragmatische Kriterium
anwenden, wonach Mittäter derjenige sei, dessen Verhalten zumindest
einen Versuch auch dann darstellen würde, wenn er allein gehandelt hätte, so sehen
wir, dass genau dieses Kriterium beim Ersthandelnden nicht erfüllt wird.
Denn derjenige, der den Anfang der Ausführung unternommen hat, hat bei isolierter
Betrachtung keinen Tatentschluss in Bezug auf die gesamte Straftat, da sowohl
nach seiner Vorstellung von der Tat als auch nach der gemeinsamen Vereinbarung
ein Teil des Delikts durch einen anderen begangen werden wird. M. a. W. führt
die konsequente Anwendung der Einzellösung, die das Verhalten eines jeden Mitwirkenden
isoliert, unausweichlich zur Straflosigkeit auch des ersteren »Mittäters
«, da auch er den vom Gesetz geforderten Versuchsvorsatz in Bezug auf die
gesamte Straftat für sich allein nicht hat.
In unserem Eingangsbeispiel, also wo der eine (A) die körperliche Gewalt ausüben
und der andere (B) das Geld wegnehmen sollte, hat A für sich allein keinen
vollen Tatentschluss, da er sich nicht entschlossen hat, das Geld des Opfers eigenhändig
wegzunehmen. Seine Handlung wird erst mittels des Verhaltens von B
zum Versuch, wenn wir nämlich die Erwartung von A in Erwägung ziehen, dass
auch B mitwirkt. Betrachten wir hingegen sein Verhalten isoliert, so können wir
ihn nur wegen (vollendeter oder versuchter) Nötigung (§ 240 StGB) bestrafen,
nicht aber wegen versuchten Raubes.
2. Darüber hinaus führt die Einzellösung zu einem weiteren absurdum: Da der
Erstere mangels vollen Tatentschlusses keinen Versuch beginge, wäre auch keine
Haupttat vorhanden. Infolgedessen könnte das Verhalten des Zweiten nicht einmal
als psychische Beihilfe qualifiziert werden. Denn auf der Basis der Einzellösung
können wir nicht sagen, dass das Verhalten des Zweiten eine Haupttat unterstützt,
da das Verhalten des Ersteren, isoliert betrachtet, nicht täterschaftlich (stets
in Bezug auf das anvisierte gemeinsame Delikt) ist.
3. Aus alledem ergibt sich, dass die Handlung beider, die sich zu einer gemeinsamen
Straftat entschlossen haben, erst dann ihren vollen sozialen Sinn qua
rechtsgutsbeeinträchtigendem Verhalten erwirbt, wenn sie mit dem Verhalten des
Anderen kombiniert wird. So hat das Verhalten des zweiten Mitwirkenden eine
vielfach entscheidende Bedeutung: Über seine Anwesenheit, Tatbereitschaft und
Kausalität für die Teilhandlung des Ersteren hinaus beeinflusst der Zweite den
ersteren Mittäter auch dadurch, dass erst sein Verhalten den Vorsatz des Ersteren
zum täterschaftlichen Vorsatz macht. Es ist eben der zweite Mitwirkende, der den
Ersteren zum Täter des Versuchs macht, indem er durch »Vorsatztransfusion«14
14 Diesen Ausdruck hat erstmals Androulakis (Fn 3), S. 87, in anderem Zusammenhang benutzt.
z. B. den Täter der einfachen Nötigung zum Täter eines Raubsversuchs macht.
Denn der Erstere versucht nicht, einen ausschließlich »eigenen« Raub zu begehen,
sondern den Raub (auch) eines anderen, nämlich den Raub, bei dem die
Geldwegnahme durch einen anderen begangen werden soll. Weshalb sollen wir
dann aber das Verhalten des »untätig Gebliebenen« als einfache Beihilfe oder als
rechtsneutrale Handlung bezeichnen können? Anwesenheit, Tatbereitschaft, Kausalität,
aber auch – und vor allem – »Vorsatztransfusion« sind also die Tatmerkmale,
die, wenn sie vorhanden sind, die Versuchsmittäterschaft auch dann begründen,
wenn nur der eine mit dem Anfang der Ausführung begonnen hat, während
die anderen noch untätig bleiben.
V. Das Verhalten des »untätigen« Mittäters als unechtes
Unterlassungsdelikt
1. Es ist darüber hinaus nicht zu übersehen, dass der zweite Mitwirkende auch
verpflichtet ist, die Handlung des Ersteren zu verhindern, und zwar wegen seines
vorangegangenen Tuns, das für das beeinträchtigte Rechtsgut gefährlich war,
nämlich wegen seiner Anwesenheit am Tatort und vor allem wegen der Vereinbarung
mit dem anderen, das jeweilige Rechtsgut in Arbeitsteilung gemeinsam zu
verletzen.15
15 Diese Auffassung, vom Verf. in: Anwendungen des Strafrechts, 1997, S. 98, unterstützt, hat heute auch
Gorka weiter entwickelt, in: Der Versuchsbeginn des Mittäters, 2000, S. 135 ff., 155. Ähnlich Krack
ZStW 117 (2005), 555 ff.
Gegen diesen Gedanken ist der Einwand erhoben worden, dass auf diese Weise
»alle Fälle von einfacher Beihilfe mit vorangegangenem Beitrag zur Täterschaft
durch Unterlassen umgewandelt worden wären«16
16 Androulakis (Fn 3), S. 178 Fn 58.
und dass aus diesem Grund der
vermeintliche Versuchsmittäter im Grunde genommen einfach psychische Beihilfe
zu verantworten hätte. Dieses Argument ist jedoch nicht überzeugend, da, wie
wir sahen, das Verhalten des Zweiten etwas mehr als einfache Beihilfe ist, denn es
macht den ersteren Handelnden erst zum Täter. Darüber hinaus stellt dieses Argument
eine petitio principii dar, da es den zweiten Komplizen von vornherein als
Gehilfen konzipiert.
2. Gegen die Möglichkeit, den noch untätigen Komplizen als Unterlassungsmittäter
zu betrachten, der die Tat des Ersteren abzuwenden unterlässt, wird ferner
das sog. Prinzip der Eigenverantwortlichkeit herangezogen, wonach jeder für die
unerwünschten Erfolge des eigenen und nicht eines fremden Verhaltens verantwortlich
sei.17
17 S. Schumann, Strafrechtliches C˛ andlungsunrecht und das Prinzip der Selbstverantwortung der Anderen,
1986, S. 69, 42 ff., 70.
Auch wenn das vorangegangene gefährliche Tun die Verpflichtung
begründe, eine Haupttat abzuwenden, so bedeute dies keineswegs, dass diese Verpflichtung
auch dann gegeben wäre, wenn dieses vorangegangene Tun in einer
psychischen Beihilfe bestünde wie die Anwesenheit des späteren Mittäters am
Tatort. Dem Gehilfen obliege nämlich keine Verpflichtung, Straftaten Dritter abzuwenden.
18
18 Christopoulos (Fn 3), S. 248.
Aber auch dieser Gedanke beruht auf einer petitio principii. Denn er geht davon
aus, dass das Verhalten der mitentschlossenen und zur Beteiligung bereiten
Person eine psychische Beihilfe darstelle und dass der Versuch des anderen eine
fremde Tat sei, also die Handlung einer dritten Person. Dies ist aber eben das postulierte
Ergebnis. Darüber hinaus übersieht diese Meinung auch, dass die Handlung
des Täters gerade deswegen ein Versuch ist, weil nach der Entscheidung desselben
ein Teil der Gesamthandlung durch den anderen (den vermeintlichen Gehilfen)
begangen werden wird. Wieso soll dann der Letztere a priori Gehilfe sein?
Es bleibt also dabei, dass aufgrund der Vorschriften über Mittäterschaft die Untätigkeit
des Mitentschlossenen in Bezug auf einen Teil des Tatbestandes der Verursachung
mit einem Tun i. S. einer Handlungsäquivalenz der Unterlassung gleichgestellt
werden kann.19
19 Vgl. Gorka (Fn 15), S. 138, 145 ff.; ˆ Eüper ZStW 105 (1993), 295, 301; Jescheck/Weigend, § 63 ´E ´E 1;
Buser (Fn 1), 72 ff.

V. Unterlassungshaftung und Rücktritt vom Versuch
Die Unterlassungshaftung des »untätigen« Komplizen wird des Weiteren als
unvereinbar mit den Rücktrittsvorschriften angesehen. Denn, so wird gesagt,
wenn wir die Mittäterqualität des Untätigen (= des Unterlassungstäters) akzeptierten,
so würden wir ihn bestrafen, weil er sein Recht, zurückzutreten, nicht ausgeübt
hat.20
20 Es handelt sich dabei um die Argumentation des LG Rostock in der Revisionssache BGH NStZ 2003,
312: Da der Rücktritt ein Recht (und keine Verpflichtung) sei, könnten wir dem Täter nicht vorwerfen,
dass er nicht zurückgetreten sei.
Diese Argumentation ist jedoch mit Recht auf Ablehnung gestoßen:
Erstens, weil sie zu einem absurdum führt. Denn wenn man sie zu Ende denkt,
dann läuft sie darauf hinaus, dass derjenige, der einen anderen zu töten versucht,
und ihn dann blutend zurücklässt, keine Verpflichtung hätte, den Todeseintritt abzuwenden,
da er sonst sein Rücktrittsrecht nicht ausüben könnte.21
21 Krack ZStW 117 (2005), 571; vgl. Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. II, 2003, § 32 Rn 193; Schneider
NStZ 2004, 92.
Zweitens, weil sie das Urteil über das Begehungsdelikt mit demjenigen über
das Unterlassungsdelikt verwischt. Denn während die Regelung über den Rücktritt
vom unbeendeten Versuch eine positive Handlung bewertet, ist die Unterlassung,
als Nichtvornahme des gebotenen Tuns, ein Tatbestandsmerkmal des unechten
Unterlassungsdelikts, das, da es gegenüber dem Begehungsdelikt subsidiär
ist, vom Tun verdrängt wird und seine Selbstständigkeit erst dann wieder erlangt,
wenn die Bestrafung des Tuns unmöglich ist.22
22 S. Mylonopoulos (Fn 5), 66 ff.
Tritt also der Täter vom versuchten
Begehungsdelikt zurück, so besteht kein Grund dafür, ihn wegen der Unterlassung
zu bestrafen, da der Erfolg schon abgewendet worden ist. Wird umgekehrt
der Erfolg nicht abgewendet, so hat der Zurücktretende für den Versuch zu haften,
so dass auch in diesem Fall ein Begehungsdelikt vorhanden ist.
Drittens: Es wird schließlich zu Recht darauf hingewiesen,23
23 Christopoulos (Fn 3), S. 248.
dass der Gesetzgeber
durch nichts daran gehindert wird, dem Täter ein Rücktrittsmotiv anzubieten,
ihn aber gleichzeitig zu bestrafen, wenn er keinen Gebrauch davon macht.
VI. Wertungswidersprüche der Gesamtlösung?
1. Es ist wahr, dass gegen die Gesamtlösung manche Wertungswidersprüche
vorgebracht werden,24
24 Christopoulos (Fn 3), S. 241.
die man erörtern müsste. Ihr gemeinsames Charakteristikum
ist jedoch, dass sie auf solchen Beispielen beruhen, die nur im Fall einer extremen
Gesamtlösung einen Sinn haben könnten. Stellen wir dagegen auf eine
Mittellösung ab, wonach die Anwesenheit und Handlungsbereitschaft des Mittäters
vorausgesetzt wird, so dass der Anfang der Ausführung des Ersteren als
Handlungserfolg des Zweiten konzipiert wird, so geht der Einwand eines Wertungswiderspruchs
ins Leere.
2.
Im Einzelnen: a) Im Beispiel von Valdagua,25
25 ZStW 98 (1986), 855.
nach dem der eine vermeintliche
Mittäter den Bankkassierer bedroht, während der andere erst dann ins Gebäude

kommen soll, nachdem der Widerstand des Opfers überwunden ist, wird der Einwand
erhoben, dass, falls der zweite Komplize nicht einmal am Tatort erscheint
(etwa weil er im Straßenverkehr steckengeblieben ist), seine Bestrafung wegen
versuchter Mittäterschaft völlig unbegründet erschiene. Das Bedenken gegen die
Bestrafung ist einleuchtend, aber auch die Antwort auf den Einwand ist einfach:
Denn hier fehlt eben die Kernvoraussetzung der versuchten Mittäterschaft, nämlich
der Umstand, dass das Verhalten des Beteiligten sich vom Verhalten eines unbeteiligten,
beliebigen Dritten klar unterscheidet. Infolgedessen kann hierin kein
Wertungswiderspruch26
26 ZStW 98 (1986), 839, 855. Dagegen mit Recht Gorka (Fn 15), S. 143 ff.; Schönke/Schröder/Eser § 24
Rn 77 ff.
gesehen werden. Denn in diesem Fall kann der zweite
Beteiligte auch nach der (modifizierten) Gesamtlösung nicht wegen versuchter
Mittäterschaft bestraft werden.
b) Dasselbe gilt in Bezug auf ein anderes Beispiel von Valdagua27
27 Valdagua ZStW 98 (1986), 856 ff.
, nach dem zwei
Komplizen nach gemeinsamer Vereinbarung einen Diebstahl begehen wollten, indem der
Erstere den Geldschrank aufbrechen wollte, während der andere erst nach einem telefonischen
Anruf durch den Ersteren erscheinen sollte, um die Beute abzunehmen. In diesem
Fall, so wird gesagt, scheide die Gesamtlösung aus, wenn der Zweite schließlich nicht erscheint.
Aber auch dieses Beispiel geht ins Leere, da auch hier weder Anwesenheit bzw.
Handlungsbereitschaft des Zweiten gegeben ist noch die Tat des Ersteren als Erfolg der
Handlung des Zweiten betrachtet werden kann. Darüber hinaus kann nicht übersehen
werden, dass der Tatentschluss des Ersteren schlicht auf der Hoffnung beruht, dass der
andere mithandeln werde, und in Wirklichkeit keinen Entschluss in Bezug auf den vollen
Tatbestand darstellt. Sein Vorsatz hängt hier von einer doppelten Bedingung ab: von der
Entscheidung des Ersteren, den Zweiten anzurufen, und von der Entscheidung des Zweiten,
dem Anruf zu entsprechen.
c) In diesem Zusammenhang wird schließlich auch der Fall BGHSt 11, 268 erwähnt.28
28 Christopoulos (Fn 3), S. 245.
Dabei handelte es sich um folgenden Sachverhalt: Einer von drei Dieben, die gemeinsam
beschlossen hatten, notfalls von ihren Waffen Gebrauch zu machen, hatte auf eine Person
geschossen, in der irrtümlichen Annahme, es handele sich um einen verfolgenden Polizisten.
In Wirklichkeit aber hatte er auf einen Komplizen geschossen, ohne ihn jedoch zu
treffen. Der BGH hatte hier, der Gesamtlösung folgend, versuchte Mittäterschaft aller akzeptiert,
also auch desjenigen, auf den der Schuss gerichtet war. Der logische Fehler der
Entscheidung liegt jedoch nicht in der Anwendung der Gesamtlösung, sondern darin,
dass der BGH einen gemeinsamen Tatentschluss aller, das vermeintliche Opfer mit eingeschlossen,
akzeptiert hat, was mit dem Gesetz (geschweige denn mit der Logik) nicht vereinbar
ist. Dieses Beispiel ist also ungeeignet, einen Wertungswiderspruch der Gesamtlösung
zu begründen.
VII. Die sog. Scheinmittäterschaft
Auch die Konstellationen der sog. Schein- bzw. vermeintlichen Mittäterschaft
sind schließlich nicht dazu geeignet, die Unzulänglichkeit der Gesamtlösung zu
begründen.
1. Von Scheinmittäterschaft ist dann die Rede, wenn zur Zeit des Anfangs der
Ausführung mindestens ein Mithandelnder in der irrigen Annahme handelt, dass
auch die anderen einen gemeinsamen Tatentschluss gefasst hätten, während dies
nicht der Fall ist. Hier kann ein Versuch nur dann vorliegen, wenn der Anfang der
Ausführung von demjenigen verwirklicht wird, der die Tatausführung tatsächlich
beschlossen hat. Wird dagegen der Anfang der Ausführung von demjenigen unternommen,
der keinen Tatentschluss gefasst hat, so kann sein Verhalten nicht
auch den anderen zugerechnet werden. Denn mangels einer gemeinsamen Entscheidung
kann von Mittäterschaft keine Rede sein.29
29 Schönke/Schröder/Eser § 22 Rn 55 a.
Würde man also in dieser
Fallkonstellation Strafbarkeit wegen Mittäterschaft auch für den Untätigen annehmen,
so würde das auf die Bestrafung der Gesinnung hinauslaufen.
2. Als Beispiele werden zwei Grundfälle diskutiert: der sog. Klingel-Fall und der sog.
Münzhändler-Fall.
a) Im Klingel-Fall (BGHSt 39, 236) hatten die zwei Angeklagten A und B, die ein älteres
Ehepaar berauben wollten, einen Dritten, C, aufgefordert, an der Tür der Wohnung
der Opfer zu klingeln, damit sie (die zwei Angeklagten) gleich mit dem Öffnen der Tür
den Raub begehen könnten. C hatte jedoch zuvor die Polizei verständigt, die sofort einschritt,
als er klingelte. Zur Zeit seiner Handlung hatte C also keinen Raubvorsatz. Deswegen
kann auch von versuchter Mittäterschaft seitens des C keineswegs die Rede sein,
und zwar nicht wegen eines vermeintlichen Mangels der Gesamtlösung, sondern eben
wegen mangelnden Tatvorsatzes. Denn hier fehlt die Grundvoraussetzung jeder Mittäterschaft,
nämlich der gemeinsame Tatentschluss, der auch die Grundlage der gegenseitigen
Zurechnung des Verhaltens eines jeden Mittäters darstellt, wie allerdings der BGH treffend
bemerkt hat. Der schlichte scheinbare Anfang der Ausführung, der keinen Versuch
begründet, nicht einmal für den scheinbaren Mittäter selbst, kann nicht als Anfang der
Ausführung den anderen zugerechnet werden. Von einer Anwendung der Gesamtlösung
könnte man erst dann sprechen, wenn das Verhalten von C auch für ihn selbst einen täterschaftlichen
Beitrag darstellte.30
30 BGHSt 39, 326. Mit Recht fragt sich also Krack ZStW 117 (2005), 557:Wieso kann einen mittäterschaftlichen
Versuch initiieren, wer zu den Mittätern nicht einmal gehört?
Dagegen ist zwar geltend gemacht worden, dass hier der mangelnde Vorsatz
von C keinen Einfluss haben könne. Denn das, was den Mittätern zugerechnet
werde, sei nicht das subjektive Merkmal des Vorsatzes, sondern das objektive Element
der Tathandlung.31
31 Hauf NStZ 1994, 265. Diese vereinzelte Auffassung hat jedoch keinen Beifall in der Theorie gefunden,
die im Gegenteil die BGH-Entscheidung sonst einstimmig gebilligt hat. S. z. B. Krack ZStW 117 (2005),
557 und Fn 3; Küh, § 20 Rn 123 und Fn 193a; Dencker, Kausalität und Gesamttat, 1996, S. 241 ff.
Dieser Einwand ist jedoch nicht überzeugend. Denn, wie
gesagt, Voraussetzung der gegenseitigen Zurechnung der Handlung eines jeden
Mittäters ist gerade der gemeinsame Tatentschluss, der hier nicht gegeben ist. C
hatte eben keinen Vorsatz in Bezug auf die gesamte Tathandlung mit gemeinsamer
Betätigung, er hatte nur den Vorsatz des agent provocateur. C hatte also keinen
versuchten Raub begangen, und infolgedessen kann von einer Anwendung
oder Nichtanwendung der Gesamtlösung keine Rede sein. Ebensowenig kann von
einer gegenseitigen Zurechnung seines Verhaltens gesprochen werden. Hier gibt
es also weder eine Abweichung vom Prinzip der gegenseitigen Zurechnung noch
eine Unzulänglichkeit der Gesamtlösung. Die Schwächen der Gesamtlösung
müssten also anderswo gesucht werden.32
32 S. LK/Hillenkamp § 22 Rn 175; Ingelfinger JZ 1995, 704; Gorka (Fn 15), S. 170; Krack ZStW 110
(1998), 623; Bloy ZStW 117 (2005), 28.
GA 2011 Versuchsbeginn und Mittäterschaft 415
28
b) Im Münzhändler-Fall33
33 BGHSt 40, 299 = BGH NStZ 1995, 120.
hatte A dem B vorgespielt, dass der Münzhändler C einen
scheinbaren Raub vortäuschen wolle, um die Versicherungsentschädigung bekommen zu
können. So hatte A den B überzeugt, gegen Belohnung einen scheinbaren Raub zu Lasten
von C zu begehen und ihm die »Beute« zu übergeben, nämlich eine Münzsammlung im
Wert von 350.000 DM. Dabei hatte er ihm eingeschärft, dass C nicht merken sollte, dass er
(B) vom Plan des Scheinopfers Kenntnis hatte. Daraufhin wurde der Raub von B begangen
und von C anschließend der Versicherung mitgeteilt. In Wirklichkeit hatte C jedoch von der
Vortäuschung des A keine Ahnung und wollte der Versicherung keinen Scheinraub vortäuschen.
Der ganze Plan war von A ausgearbeitet worden, der B als Werkzeug benutzen wollte,
um auf diese Weise die Münzsammlung des C zu bekommen, ohne ihm aber einen Schaden
zuzufügen, da dieser eine befriedigende Entschädigung kassieren würde.
Da hier B, mangels Vorsatzes, nicht wegen Raubes bestraft werden konnte, wurde er
vom BGH wegen versuchten Versicherungsbetrugs in Mittäterschaft mit C bestraft, obwohl
der Letztere überhaupt keinen Vorsatz hatte. Damit hat das Gericht eine vermeintliche
bzw. putative Mittäterschaft des B angenommen, die in der Meldung des C bestand
und als versuchter Versicherungsbetrug eingestuft wurde.
Diese Betrachtungsweise ist erwartungsgemäß auf heftige Kritik gestoßen. Zunächst
einmal konnte das Verhalten von C keinen Versuch darstellen, weder subjektiv
(der Münzhändler hatte keinen Vorsatz) noch objektiv (seine Meldung entsprach
der Wahrheit).34
34 Kühl § 20 Rn 123a; Krack ZStW 117 (2005), 559; ˆ Aloy ZStW 117 (2005), 3, 29; Roxin, Odersky-FS
1996, S. 489; MK/Joecks § 25 Rn 81.
Darüber hinaus aber fehlt es an einem (und sei es putativen)
gemeinsamen Tatentschluss. B hatte mit C nichts Gemeinsames beschlossen,
nicht einmal i. S. einer vorgetäuschten gemeinsamen Entscheidung. Die gesetzmäßige
Meldung des Raubes kann dem B nicht als mittäterschaftliche Versuchshandlung
zugerechnet werden, auch wenn der Letztere, der durch einen Dritten
(A) betrogen wurde, ihn irrig als Mittäter betrachtet.35
35 Wäre sein Irrtum von ihm selbst (C) verursacht, so hätten wir einen putativen gemeinsamen Tatentschluss
wie im Klingel-Fall, was ebenfalls nicht genügt, weil es nicht den Tatsachen entspricht.
Die Handlung von C kann
also nicht als Grundlage für ihre gegenseitige Zurechnung zu Lasten von B dienen,
nicht einmal unter Anwendung der Gesamtlösung. Infolgedessen ist es evident,
dass die Bestrafung von B auf Gesinnungsstrafrecht beruht,36
36 Gropengießer/Kohler Jura 2003, 277, 282; Kühl § 20 Rn 123 a.
des nicht auf
einen Mangel der Gesamtlösung zurückzuführen ist.37
37 Überwiegende Meinung: Ingelfinger JZ 1995, 704; Kühne NJW1995, 934; Küpper/Mosbacher JuS 1995,
488, 491; Kühl § 20 Rn 123 a.
3. Es wird darüber hinaus behauptet, dass die Gesamtlösung zu Ungleichheiten
führe, da sie dem Komplizen, der mit der Tatausführung schon begonnen hat, die
Rücktrittsmöglichkeit gewähre, während der noch Untätige nicht zurücktreten
könne und deswegen immer als Mittäter des Versuchs bestraft werde. So werde
der Letztere, der nichts getan hat, schlechter gestellt als der Erstere, obwohl dieser
auf jeden Fall etwas getan habe.38
38 Christopoulos (Fn 3), S. 242.
Aber auch dieser Einwand ist m.E. nicht
schlüssig. Denn der »untätige« Beteiligte, der anwesend ist und wartet, bis er dran
ist, hat jede Möglichkeit zurückzutreten, entweder, indem er sich vom Tatort entfernt
oder die Tat des anderen verhindert oder die Polizei oder das Opfer verständigt
u. a. m.

VIII. Wertungswidersprüche der Einzellösung
Stattdessen ist die Einzellösung mit Wertungswidersprüchen behaftet, die nicht
übersehen werden können. Zunächst einmal bleibt nach dieser Auffassung derjenige,
der den Komplizen beim Anfang der Ausführung benutzt, straflos, während
derjenige, der zum selben Zweck (z. B. zur Wegnahme einer Sache) ein Tier oder
ein mechanisches Werkzeug benutzt, problemlos als Versuchstäter strafbar ist und
insofern schlechter gestellt ist als der Andere, obwohl sein Verhalten gefährlicher
ist.39
39 Gorka (Fn 15), S. 139 ff.
Ferner läuft die Einzellösung auf ein absurdum hinaus. Denn sie akzeptiert
mehrere Zeitpunkte des Versuchsbeginns, nämlich, dass der Anfang der Ausführung
für den zweiten Mittäter später beginnt, wenn der Versuch der Gesamttat
schon längst begonnen hat. So bleibt sie also die Erklärung schuldig, wie es möglich
sein soll, dass der Versuch einer Straftat, der schon begonnen hat, später noch
einmal (oder sogar wiederholt) beginnt.40
40 LK/Hillenkamp § 22 Rn 173.
IX. Lösungsversuche in Anwendung der Tatherrschaftslehre
1. Ein weiterer Lösungsversuch wird schließlich mit Hilfe der sog. funktionalen Tatherrschaftslehre
unternommen. Danach soll nur dann Mittäterschaft gegeben sein, wenn
der Mithandelnde Herrschaft in Bezug auf die gesamte Tat ausübe, d. h. wenn dessen
Beitrag so wesentlich sei, dass die Ausführung der Gesamttat davon abhänge. Es wird sogar
behauptet, dass insofern jeder Mittäter zwei Arten von Tatherrschaft habe, eine positive
über den Tatteil, den er selbst eigenhändig begehe, und eine negative über die Gesamttat
in dem Sinn, dass er die Vollendung verhindern kann, indem er den eigenen Beitrag
unterlässt. Im Rahmen dieser Betrachtungsweise kann der Untätige keinen Versuch begehen,
da er keinerlei Tatherrschaft über den Versuch des anderen hat, weder positiver noch
negativer Natur.41
41 Der Mittäter, sagt Valdagua ZStW 98 (1986), 839, 870, habe die Möglichkeit, nur die eigene Tatvollendung
zu verhindern (indem er den eigenen Tatbeitrag unterlasse) und nicht die Beiträge der anderen Mittäter.
2. Diese Auffassung ist jedoch Einwänden ausgesetzt, die schon mehrmals betont
worden sind. Zum einen wird sowohl die Unbestimmtheit als auch die Uferlosigkeit
des Kriteriums genannt. Wann und unter welchen Voraussetzungen ist
der Beitrag »wesentlich«? Wie ist die Mittäterschaft von der Beihilfe zu unterscheiden,
die auch einen äußerst wesentlichen Tatbeitrag darstellen kann? Es besteht
also die Gefahr einer Ausdehnung der Konturen der Täterschaft, aber auch
einer Konfusion mit der Anstiftung.
Darüber hinaus darf man nicht übersehen, dass nach dieser Auffassung ein
Mangel an positiver Tatherrschaft auch im Fall der Rollenverteilung besteht, wo
ebenfalls jeder Mittäter nur den eigenen Tatteil positiv beherrscht. Wer z. B. das
fremde Geld erst nach Ausübung von körperlicher Gewalt durch den Mittäter
wegnimmt, hat keine positive Herrschaft über die Gewaltausübung, sondern nur
in Bezug auf den eigenen Tatteil. Die positive Tatherrschaft besteht also nur in
Bezug auf jenen Teil der Tat, der vom jeweiligen Mittäter verwirklicht wird, nicht
aber in Bezug auf die gesamte Straftat. Infolgedessen ist sie zur Begründung der
Mittäterschaft ungeeignet.42
42 Gorka (Fn 15), S. 125; Küper JZ 1979, 786.


Zum anderen kann nicht darüber hinweggesehen werden, dass die negative Tatherrschaft
in Wirklichkeit ein Leerbegriff ist. Denn die Tatvollendung kann jeder
Dritte verhindern, ohne jedoch aus diesem Grunde Mittäter zu sein. Zunächst einmal
kann die Tatvollendung jeder Bürger oder Polizist durch eine positive Handlung
verhindern. Aber auch wenn wir darauf abstellen, dass die negative Tatherrschaft
in der Unterlassung des versprochenen Beitrages besteht, so kann diese
durchaus auch der einfache Gehilfe haben, der die ganze Tat zum Scheitern verurteilen
kann, indem er den eigenen Beitrag unterlässt.43
43 Gorka (Fn 15), S. 126.
3. Die Lehre von der sog. funktionalen Tatherrschaft sowie der Gedanke von
der positiven bzw. negativen Tatherrschaft können nach allem keine überzeugende
und dogmatisch haltbare Lösung anbieten und sind deswegen zu Recht überwiegend
abgelehnt worden.
X. Ergebnisse
Die Ergebnisse lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Das Verhalten des noch
untätigen, aber immerhin anwesenden Mittäters eines Versuchs kann keine psychische
Beihilfe sein. Denn wäre das so, dann könnte auch das Verhalten desjenigen, der mit seinem
Tatbeitrag schon angefangen hat, keinen Versuch begründen, da dessen Tatentschluss
die Handlung eines anderen beinhaltet, nämlich die des noch untätigen Beteiligten.
Dementsprechend ist die Bestrafung des Komplizen, der mit seinem Tatbeitrag begonnen
hat, nur auf der Grundlage der Prinzipien der Mittäterschaft möglich, nämlich
nur, wenn wir davon ausgehen, dass beide die gemeinsam beschlossene Tat (die gemeinsame
Tat) begonnen haben. Gehen wir dagegen davon aus, dass keine gemeinsame Tat,
sondern nur der Versuch des Ersteren begonnen wurde, so ist nicht einmal dessen Bestrafung
möglich. Auf der Grundlage der Einzellösung kann also nicht einmal derjenige wegen
Versuchs bestraft werden, der mit seinem Tatbeitrag begonnen hat. Der einzig gangbare
Weg ist infolgedessen die Bestrafung auch des scheinbar Untätigen wegen versuchter
Mittäterschaft, wenn die schon erwähnten Voraussetzungen vorliegen: Anwesenheit,
Handlungsbereitschaft, Kausalität und »Transfusion« des Vorsatzes.